23.03.2023 Forum St. Liborius – Thema: Wie wollen wir wohnen?
Wie wollen wir wohnen?
Am 23. März trafen sich die Zeitspender*innen im Forum St. Liborius zu einer Infoveranstaltung zum Thema „Wie wollen wir wohnen?“
Es stellten sich zwei auf den 1. Blick unterschiedliche Projekte mit Ihren Konzepten vor. Im Laufe der Vorträge kamen doch einige Parallelen zum Vorschein.
Für beide Projekte gilt, sie sind aus privaten Initiativen heraus entstanden.
„Gezeiten e.V.“
Der Gezeiten e.V. ging 2015 an den Start und hat seinen Sitz im Pontanus-Carre in der Bodelschwinghstraße. Frau Erkan und Herr Bredt begannen den Abend mit ihrer Vorstellung des Gezeiten e.V. und seines Konzeptes.
In Kooperation mit dem Spar- und Bauverein, der auch Vermieter der Wohnungen ist, entstand dort in unmittelbarer Nachbarschaft eines Wohnhauses für Menschen mit Behinderung und einer Senioreneinrichtung ein Mehrgenerationenhaus mit 17 barrierefreien Wohnung in Größen von 56 – 100 m2.
Jede Wohnung hat einen Balkon oder eine Terrasse und einen PKW-Einstellplatz sowie einen Kellerraum und ist durch einen Aufzug erreichbar.
Durch die Barrierefreiheit ist gewährleistet, dass man auch im Alter oder bei eingeschränkter Mobilität lange in der vertrauten Umgebung bleiben und am Gemeinschaftsleben teilnehmen kann.
Es können dort sowohl Familien, Singles oder Paare jeden Alters einziehen.
Gemeinschaft und ein generationsübergreifendes nachbarschaftliches Miteinander werden großgeschrieben. Man kümmert sich umeinander, was insbesondere während der Coronapandemie sehr gut funktioniert hat. Aber auch bei den alltäglichen Dingen des Lebens wie z. B. Einkaufshilfen, Versorgung von Pflanzen oder Tieren oder einfach mal beim Nachbarn nachschauen.
Bei monatlichen Treffen wird die Gemeinschaft und das Miteinander optimiert.
Aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Es werden gemeinschaftliche eintägige oder mehrtägige Ausflüge unternommen sowie z. B. Lesungen veranstaltet und der große Garten lädt zu spontanen Aktivitäten und zur gemeinschaftlichen Gartenarbeit ein.
Gerne werden daraus ein spontanes gemeinschaftliches Grillen und ein netter Abend miteinander.
Das Motto lautet „Jeder kann, aber niemand muss“
Zudem gibt es dort noch eine Gemeinschaftswohnung. Hier finden gemeinsame Aktivitäten statt. So wird dort am Heiligen Abend gemeinsam gefrühstückt, Silvester oder eine private Feier z. B. runder Geburtstag gefeiert. Trotzdem ist der Gezeiten e.V. keine in sich abgeschlossene Gemeinschaft und es findet auch ein reges Miteinander mit der Nachbarschaft statt.
Beginenhaus
Frau Pape von der Hanne-Bette-Stiftung hat uns mit einem Vortrag das System und das Leben in einem Beginenhaus nähergebracht.
Im 13. Jahrhundert schlossen sich Frauen in Belgien und den Niederlanden zusammen, um in sogenannten Beginenhöfen nicht nur miteinander zu wohnen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch, um ihre Sorgen und Nöte miteinander zu teilen.
Diese Lebensform bot ihnen eine Alternative zur Ehe, zum einsamen Witwendasein oder zum Gang ins Kloster. Auch Frauen, die nicht mehr mit ihren Ehemännern leben wollten, konnten sich diesen Gemeinschaften anschließen. Es gab keine Hierarchien, geleitet wurden die Höfe von einer Maestra.
Wer nicht mehr dort leben wollte, konnte jederzeit wieder ausziehen.
Heute wird mit diesem Begriff die Idee der Zusammengehörigkeit und der Schutz vor Vereinsamung und Anonymität verbunden.
In ein Beginenhaus können ausschließlich Frauen einziehen. Es handelt sich um Frauen verschiedener Generationen, Lebenssituationen und Herkunft, die gemeinsam wohnen und sich in Notlagen unterstützen.
Jede Frau, ob mit oder ohne Kind, hat ihre eigene Wohnung und somit ihren eigenen Bereich, kann aber an der Gemeinschaft teilnehmen und erfährt hieraus auch Unterstützung.
In Delbrück gibt es seit Juli 2014 eine solche Wohnmöglichkeit im Nachtigallenweg 14.
Initiator ist die Hanne-Bette-Stiftung aus Delbrück, die im November 2012 gegründet wurde.
So erfuhren die Zeitspender*innen, dass in dem Neubau im Nachtigallenweg aktuell 12 Frauen, teilweise mit Kindern, in 12 Wohnungen in Größen von 51,8 m³ bis 69,46 m³ leben.
Alle Wohnungen haben einen Balkon oder eine Terrasse in Südwestlage, sind barrierefrei und über einen Aufzug erreichbar. Auch diese Wohnungen haben jeweils einen Kellerraum und einen Parkplatz. Zusätzlich gibt es noch einen Fahrradkeller.
Die Miete liegt aktuell bei 5,80 € bis 6,20 € monatlich/m².
Dass diese Miete relativ günstig ist, liegt an der Tatsache, dass die Wohnungen durch die Hanne-Bette-Stiftung vermietet werden und eine Stiftung keine Gewinne oder Verluste machen und ausschließlich Vermögenserhaltend arbeiten darf. Evtl. Überschüsse müssen wieder in den Stiftungszweck zurückfließen.
Ein Resultat daraus ist auch, dass im Beginenhaus alle Tätigkeiten wie Gartenarbeit, Mülltonnen herausstellen usw. vergeben sind und sich die Bewohnerinnen nicht darum kümmern müssen.
Auch hier gibt es einen Gemeinschaftsraum, in dem sich die Frauen treffen und gemeinsame Aktivitäten planen und durchführen.
Zusätzlich existiert noch ein Appartement für z. B. kurzzeitig benötigtes Pflegepersonal oder Gäste. Dieses kann für einen Kostenbeitrag von 5 €/Tag inkl. Wäsche gebucht werden.
Bei dieser Wohnform steht ebenfalls die Gemeinschaft im Vordergrund.
Ziel ist es u. a. Eigenständigkeit und Individualität zu bewahren, sich gegenseitig zu unterstützen, wenn es erwünscht ist, Kindern die Möglichkeit zu geben generationsübergreifend aufzuwachsen und vieles mehr.
Gemeinsame Ausflüge und Aktivitäten stärken auch hier den Zusammenhalt und die Verantwortung füreinander. Aber immer vor dem Hintergrund der Selbstbestimmung.
Wie bei der Wohnform vom ersten Vortrag gilt auch hier die Devise, „Jeder kann, niemand muss“.
Eine große Gemeinsamkeit bei beiden Wohnkonzepten ist aber, die individuelle Eigenständigkeit der Bewohner zu fördern bzw. zu erhalten und jedem möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Vor allem aber soll es eine effektive Maßnahme gegen Einsamkeit und Anonymität sein.
Nach mehr als 10 Jahren, die es beide Projekte nun gibt, kann man sagen, dass beide das Ziel „Miteinander füreinander“ erreicht haben. Leider kommt aber die junge Generation nicht wie gewünscht dazu.
Fortlaufend steckt sehr viel Arbeit im Zusammenleben und es ist eine für beide Projekte eine große Aufgabe, diesen Prozess immer weiter zu optimieren und den Erfolg zu erhalten.
Die Zeitspender*innen haben an diesem Abend viele, bestimmt noch nicht bekannte, Informationen über zwei unterschiedliche Wohnformen erhalten, die sich auf den zweiten Blick doch ähnlich sind.
Für die Zukunft kann man sich angesichts dieser beiden Projekte wünschen, dass sie noch viele Nachahmer finden und diese auch eine große Unterstützung durch die öffentliche Hand bei der Umsetzung erfahren.