12.09.2019 Westphalenhof – Thema „Der Wolf“

12.09.2019 Westphalenhof – Thema „Der Wolf“

 

Seit seiner Rückkehr nach Deutschland sorgt der Wolf immer wieder für Schlagzeilen, die häufig sehr emotional und reißerisch formuliert sind. Oft ist von gerissenen Nutztieren die Rede und es werden Gefahren für Wild und Mensch heraufbeschworen. Aber natürlich gibt es auch positive Stimmen, die die Wölfe als „Rückkehr eines Stücks Wildnis in Deutschland“ begrüßen.

Ein Ehrenamt für den Wolf

Sowohl Panikmache als auch Romantisieren sind laut Michael Schulte nicht angebracht und zielführend, wenn es um die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland geht. Und Herr Schulte muss es wissen, denn er arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Naturschutzgroßprojekt „Senne und Teutoburger Wald“ und ist zudem ehrenamtlich als Luchs- und Wolfsberater des Landes tätig. Durch seinen engagierten und abwechslungsreichen Vortrag ließ er die anwesenden Zeitspender an seinem fundierten Wissen teilhaben.

Aber welche Aufgaben erfüllt eigentlich ein ehrenamtlicher Wolf- und Luchsberater?
Um Konflikte zwischen Mensch und Tier zu minimieren ist es wichtig, zentral verlässliche Daten über die Verbreitung, die Laufwege und Verhaltensweisen der einzelnen Tiere bzw. Rudel zu sammeln. Dabei helfen die ehrenamtlichen Experten. Sie gehen Hinweisen auf Sichtungen und Risse nach und prüfen vor Ort anhand der Umgebung, Losung, Trittspuren etc. ob es sich überhaupt um einen Wolf handelt. „Auch bei gut gemeinten Hinweisen, ist die Verwechselungsgefahr mit einigen „Modehunden“ groß, weiß Michael Schulte. Und natürlich gibt es auch „Scherzmeldungen“ oder der Tod von Nutztieren wird vorschnell „dem bösen Wolf“ zugeschrieben. Deshalb ist es wichtig, Fakten zu ermitteln, die auch dazu beitragen, sinnvolle Schutzrichtlilien zu erstellen bzw. weiterzuentwickeln.

Quo Vadis? Oder: Was macht der Wolf in NRW?

In vielen europäischen Ländern war der Wolf immer präsent. Aus Polen kam er im Jahr 2000 zurück nach Deutschland – genauer gesagt zunächst in die Oberlausitz. Aktuell gibt es bei uns ca. 100 Rudel. Für manche Menschen klingt das bereits erschreckend viel, aber tatsächlich bietet Deutschland laut Meinung der Experten Platz für ca. 440 Rudel.

Bis heute leben Wölfe schwerpunktmäßig in Sachsen und Brandenburg. Aber sie sind gute „Wanderer“ und so siedeln sich die Tiere auch vermehrt in Niedersachsen an. Immer wieder streifen Wölfe auch durch NRW; so z.B. die Wölfin, die mehrfach auf dem Truppenübungsplatz Senne gesichtet wurde. Aus jüngster Zeit gibt es aber keine Nachweise mehr, obwohl Truppenübungsplätze generell wahre Wolfsparadiese sind.

Darf Rotkäppchen noch alleine in den Wald?

Eines steht fest: Der Wolf hat ein Imageproblem! Schließlich haben wir alle in unserer Kindheit gehört, dass er sich in böser Absicht im Wald herumtreibt und auch gerne mal eine Großmutter verspeist. Tatsächlich könnte man den Wolf aber auch als scheuen und opportunistischen „Familienmensch“ beschreiben, der sich mit kleinen Rückzugsgebieten zufrieden gibt.

Wölfe sind sehr sozial und leben in der Regel in Rudeln von 9-10 Tieren. Geführt wird ein Rudel immer von den Eltern; dazu gehören jeweils 6-8 Welpen und 2-4 Jährlinge, die nach der Geschlechtsreife abwandern. Den oftmals so gefürchteten „Alphawolf“ gibt es in der Natur nicht. Solche „Leittiere“, bilden sich nur in Gefangenschaft heraus, wo zu viele Tiere auf zu wenig Raum quasi gezwungen sind, sich zu organisieren.

Bezüglich der Ernährung gilt bei Wölfen „Gegessen wird was auf den Tisch kommt“ bzw. was die Umgebung hergibt. Vorzugsweise sind das wilde Paarhufer oder einfach zu erbeutende Nutztiere. Aber auch Bieber, Karpfen, kleine Nager und manchmal sogar Obst werden verspeist. Menschen stehen definitiv nicht auf dem Speisezettel von Wölfen. Die Bejagung hat sich bei den Tieren so sehr eingeprägt, dass sie Menschen äußerst scheu begegnen und sich bei einem Aufeinandertreffen vorsichtig zurückziehen.

Weitere Fakten sprechen für sich; denn seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland hat es noch keinen Zwischenfall mit Menschen gegeben. Sowohl wir selbst, als auch das „Rotkäppchen“ bzw. unsere Kinder oder Enkel dürfen sich also, frei in der Natur bewegen – sogar in Gebieten, die offiziell als Wolfsgebiet ausgewiesen sind.

Horrende Ausgleichszahlungen für dumme Schafe?

Neben den Medienberichten, die die Gefährlichkeit des Wolfes kolportieren, gibt es auch immer wieder Kritik an den finanziellen Mitteln, die für Schutz bzw. Schäden aufgewendet werden müssen. In der Tat reißen Wölfe gerne Nutztiere. Sie haben gelernt, dass ein Schaf weniger wehrhaft ist als z.B. ein Wildschwein. Außerdem fehlt insbesondere Schafen und Ziegen der natürliche Fluchtinstinkt. Selbst nach einem Angriff auf die Herde, stellen Sie sich wieder entspannt in nächster Nähe auf. Ein leichtes Spiel für den Wolf!

Um Nutztiere zu schützen, gibt es finanzielle Unterstützung für Hunde und Elektro-Zäune. Wenn trotzdem Tiere gerissen werden, erhalten Schäfer Ersatzzahlungen. Die vermeintlich horrenden Kosten für den Steuerzahler betragen pro Jahr ca. 1,5 Millionen € für Schutzvorrichtungen und Hütehunde und 300.000 € für Ersatzzahlungen. Im Vergleich zu Marderschäden, die von den Versicherungen mit ungefähr 70 Millionen € im Jahr beziffert werden, ist der Wolf also quasi ein „Preisrebell“.

Durch seinen Vortrag konnte Michael Schulte viele Vorurteile und Ängste bezüglich der Verbreitung der Wölfe in Deutschland ausräumen. Dass die Informationen bei den Zeitspendern gut ankamen, zeigten sowohl die zahlreichen Fragen im Anschluss als auch das herzliche Dankeschön, dass eine Zeitspenderin ihm spontan für die spannenden Einblicke und sein ehrenamtliches Engagement in Sachen Naturschutz aussprach.