05.09.2024 – „Jung, geflüchtet, angekommen?!

05.09.2024 – „Jung, geflüchtet, angekommen?!

Ein ebenso aktuelles wie auch herausforderndes Thema lockte am 5. September viele ZeitspenderInnen in das Forum St. Liborius. Schon bald rauchten die Köpfe; nicht nur aufgrund der sommerlichen Hitze, sondern auch wegen der vielfältigen Denkanstöße an diesem Abend!

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der Film „Jung, geflüchtet, angekommen?!“, vorgestellt von Frau Nadine Dubberke von der Servicestelle für Antidiskriminierung, MiCado Paderborn. In dem Kurzfilm von Younes Nadir kommen junge Menschen aus Paderborn und Bielefeld zu Wort, die ihre persönlichen Geschichten und Diskriminierungserfahrungen erläutern.

Wer sind überhaupt „Die Flüchtlinge“ und was ist Diskriminierung?

Durch den Film und Frau Dubberkes anschauliche Praxisberichte wurde schnell klar: Den typischen Flüchtling und das typische diskriminierende Verhalten gibt es nicht. Vielmehr befindet man sich hier in einem komplexen Umfeld. Hier einige Beispiele aus dem Film:

Durch den Ausbruch des Ukraine Krieges erfuhr ein junger Marokkaner, der in dem Land studierte, plötzlich Fremdenfeindlichkeit. Von ihrem Schicksal schockierte Ukrainer richteten ihre Ängste und Aggression gegen ihn. Aus Furcht vor den Anfeindungen und dem Krieg, floh der junge Mann nach Deutschland, wo er durch seine ungewöhnliche Geschichte durch jegliches bürokratische Raster fiel. Die Behörden konnten ihn weder als Flüchtling noch als Obdachlosen einstufen und somit auch nicht unterstützen. Nur durch private Hilfe bekam der Mann in den ersten 3 Monaten in Deutschland Essen und ein Dach über dem Kopf.

Eine Studentin, die in einer Bäckerei jobbt, musste aufgrund ihrer Hautfarbe erleben, dass eine ältere Frau sich nicht von ihr bedienen lassen wollte und sie zudem wüst beschimpfte. Es schritten weder die Chefin, noch KollegInnen oder KundInnen ein. Schließlich musste die junge Frau selbst die Polizei rufen, um die diskriminierende Tirade und die massiven Anfeindungen der älteren Frau zu stoppen.

Ein junger Mann aus Kasachstan erfuhr in seiner Heimat massive Diskriminierung wegen seiner deutschen Großmutter. Diskriminierende Äußerungen in Deutschland findet er vergleichsweise mild. Aber Bemerkungen über sein altmodisches Deutsch verunsichern ihn sehr, da er hier Lehrer werden möchte. Ein Theaterprojekt gibt ihm nach und nach mehr Sicherheit.

Ein junges Mädchen aus Syrien wurde ohne jegliche Sprachkenntnisse in die achte Klasse geschickt. Die Unterrichtssituation war für alle Beteiligten herausfordernd und für das Mädchen extrem verunsichernd. Durch Eigeninitiative und die Hilfe von Schülerpaten schaffte sie den Anschluss und schließlich sogar das Abitur.

Bereits diese vier Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die Herausforderungen für Geflüchtete in Deutschland sein können. Leider nehmen Beleidigungen im öffentlichen Raum und Übergriffe, wie das Herunterreißen von Kopftüchern, stetig zu. Das ist auch ein Grund, warum der Film „Jung, geflüchtet, angekommen?!“ zum Schutz der Protagonisten nicht öffentlich zur Verfügung steht, sondern nur im Rahmen ausgewählter Veranstaltungen und mit entsprechenden Erläuterungen gezeigt wird.

Diskriminierung Einhalt gebieten – Durch Zivilcourage und Ehrenamt

Diskriminierung ist ein Problem, für das es kein schnell greifendes Patentrezept gibt.

Die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit bietet Betroffenen einen geschützten Raum für Gespräche und klärt sie über ihre rechtlichen Möglichkeiten auf. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Aufklärungsarbeit in Schulen, die zum Teil sehr engagiert sind und um Folgetermine zur Vertiefung der Einblicke bitten.

Aber nicht nur offizielle Stellen und Gremien sind gefordert. Es wurde an diesem Abend schnell deutlich, dass jeder einzelne etwas tun kann. Einige ZeitspenderInnen engagieren sich bereits für Geflüchtete und reicherten den Abend mit ihren Erfahrungsberichten an.

Zwei wichtige Säulen, für die Vermeidung von Diskriminierung und die Verbesserung von Integration kristallisierten sich in der lebhaften Diskussion schnell heraus:

  • Zivilcourage
  • Ehrenamtliche Arbeit

Die geschilderte Situation in der Bäckerei ist ein typischer Fall, in dem Zivilcourage gefragt ist. Der jungen Frau, die beschimpft wurde, hätte der Beistand einer mutigen Person Rückhalt gegeben. Die ältere Frau hätte erfahren, dass ihre Meinung und ihr Verhalten für andere MitbürgerInnen nicht akzeptabel sind. Vielleicht hätte sie das von weiteren diskriminierenden Attacken abgehalten.

Auch die Möglichkeiten für ehrenamtliche oder private Unterstützung sind sehr vielfältig. Der marokkanische Student aus der Ukraine konnte nur durch private Hilfe überleben und die Schülerin aus Syrien dank Unterstützung von MitschülerInnen ihr Abitur machen. Dennoch zögern manche Menschen, die eigentlich gerne helfen möchten, weil sie den Eindruck haben, dass es schwierig ist, Menschen aus einem anderen Kulturkreis angemessen anzusprechen.

Medienberichte vermitteln häufig das Gefühl, dass man in Gesprächen kaum vor Fehlern gefeit ist. So werden z.B. gut gemeinte Fragen nach der Herkunft oder den Wurzeln eines Menschen teilweise scharf kritisiert. Oft handelt es sich bei derartiger Kritik aber gar nicht um die Meinung „der Geflüchteten“ oder „der Menschen mit Migrationshintergrund“, sondern um persönliche Befindlichkeiten. Eine andere Person freut sich vielleicht über das Interesse an der eigenen Geschichte. Tun wir also einfach unser Bestes, auch auf die Gefahr hin, dass wir dabei nicht immer perfekt agieren! Wenn Schutz suchende Menschen nicht nur physisch, sondern auch menschlich in der deutschen Gesellschaft ankommen, profitieren wir letztendlich alle davon!